Es war kalt. So. Kalt. Wer kam denn bitte auf die Idee die Sonne weg zuschicken? Zitternd kauerte die Katze in der Nähe des Eingangs, das kurze Fell dick aufgeplustert, die Pfoten bereits ohne Gefühl. Zumindest lag kein nasses Zeug am Boden. Schnee, flüsterte eine leise Stimme von weit her, die Púki gekonnt jedoch wieder verdrängte. Wenn es drinnen nicht auch kalt wäre, hätte sie sich schon längst wieder verzogen und ihr Treffen Treffen sein gelassen. So war sie schon frierend aufgewacht und bisher schien der Tag nichts anderes zu planen. Sommer musste es wieder werden. Sommer und Sonne Wärme, frische Luft - kein Frost oder Schnee oder Eis. Nicht einmal jemanden in den Teich konnte sie schubsen. Verächtlich schüttelte sie den Kopf, nur um gleich wieder zu schwanken, als die kleine Bewegung einen Lufthauch an ihren Hals lies.
Steif richtete sie sich auf und schwankte einige Schritte vom Eingang weg in Richtung eines Baumes, der einzeln vor sich hin thronte. Vielleicht würde er ihr zumindest ein bisschen Windschatten bieten - sie hoffte ihr Treffen hatte etwas was ihrer Fähigkeit würdig wäre. Ansonsten- nun. Fast zufällig landeten ihre Augen auf ihren weißen, ach so sauberen Krallen, die so hell und unbeteiligt wirkten. Wie lange war es her, das sie blutrot gefärbt waren? Zu lange gewiss.
Ein Schaudern wanderte durch ihren Köper, brachte ihr Fell zum Beben und ihr Herz zum stocken. Wie. Unglaublich. Eckelhaft. Der Geruch klebte immer noch in ihrer Nase, faszinierend hartnäckig und am liebsten würde Púki sich nun umdrehen und sich übergeben. Dann wüsste der Kater aber gewiss, dass etwas nicht stimmte. Feuer. Wie sollte sie ihren Gegenüber denn zum Brennen bringen? "Ich glaube mir wird schlecht-", brachte sie noch halbherzig hervor, bevor sie sich abwand, einen halben Schritt weg torkelte und ihren Mageninhalt ausleerte. Noch viel eckelhafter. Blut landete am Boden, nun nicht mehr auf ihrem Fell und ihr Magen gurgelte protestierend. Doch die gleiche Süße hing immer noch an ihr, hatte sich festgesetzt in Nase, Pelz, Krallen und schien nicht los zu lassen. Was das die Rache? Die Rache für ihre unaussprechlichen Taten? "Ich glaube du musst deine Frage wiederholen, ich hab vergessen worum es ging."
Fast kläglich richtete sie ihren Augen wieder auf das anderen Experiment - Wächter, Vertrauter? Wer so herum stolzierte und Fragen stellte, war entweder wie sie oder ranghöher. Wer auch immer er war, er würde verbrennen. Lichterloh, schreiend, um Gnade flehenden ohne diese zu erhalten. Ein seltsamer Tod. Sehr exotisch. Hoffentlich würde sie weit weg sein und das ganze nicht nochmal erleben müssen. Ob er sich dessen wohl bewusst war?
Sachte fuhr sie mit der Zunge erneut über ihre Pfote, das hartnäckige Stück Blut wollte einfach nicht ihr Fell verlassen. Ausgerechnet auf dem Weiß - da sah man es auch noch so gut. Welch Tragik. Das Experiment hätte doch wirklich wo anders seine letzten Blutstropfen verlassen können, der Boden hätte sich gewiss nicht beschwert. Oder sich putzen müssen. Etwas fester biss das Experiment sich in die Tatze und zog ungewollt einige Haare aus ihrem Fell. Empört spuckte sie diese aus und sah missmutig zu, wie sie, blutrot, zu Boden segelten. Auch keine Lösung. "Na? Was sitzt du hier in der Dunkelheit?", erklang eine dunkle Stimme, die sie aus ihren Gedanken unsanft wieder in die Gegenwart beförderte. Hah. Dunkelheit. Wie amüsant. Langsam löste sie ihre bernsteinfarbenen Augen von ihrem linken Bein und drehte den Kopf achtsam in die Richtung der Stimme. Ein großer Kater mit breiten Schultern und riesig wirkenden Pfoten hatte sich ihr, erstaunlich leise für seine Gestalt, genähert. Ein schwarzer Flügel zierte seinen Rücken, wo dunkle Schlieren sich in seinem Fell zu fangen schienen. Kamen ihre Opfer jetzt schon freiwillig zu ihr? Erfreut richtete Púki sich auf, erwiderte selbstbewusst den irren Blick des Katers und spürte fast schon seinen Wahnsinn, der über sie wanderte, sie mussterte, bewertete, prüfte. Ob sie wohl bestand?
Mit einer fließenden Bewegung richtete sie sich wieder auf, zuckte sachte mit dem Ohr in Richtung des Toten, ohne ihren Blick zu lösen. Sie fühlte sich ein bisschen wie eine Maus, die vor ihrem Jäger stand. Wie erfrischend. Sonst pflegte stehts sie die Jägerin zu sein, die ihre Gegenüber in die ewigen Jagdgründe verbannte- "Aber selbstverständlich kann ich dir alles hier erklären.", schnurrte sie sanft, unschuldig. Um den Effekt zu verstärken, öffnete sie ihre Augen etwas weiter und machte eine zarte Bewegung mit ihrem Schweif. Sieh mich an, "Aber würde es dich denn wirklich interessieren?" Der Hauch einen Spottes, kaum wahrnehmbar, mehr erahnbar, legte sich in ihre Stimme und Worte, lockte den Kater etwas näher, enger in ihr Netz. Solange er sich nicht gleich auf sie stürzen würde. Dann hätte 735 ein Problem. Nun, sie war schließlich Optimist, was hätte der Kater schon einen Grund sie zu töten. Ein Grinsen huschte für einen Atemzug über ihr unschuldiges Gesicht und verzerrte ihre Miene, welchen Grund brauchte sie schließlich schon für all ihre Morde? Der Fremde hielt immer noch brav Augenkontakt mit ihr. Einfacher konnte er es ihr ja wohl kaum machen. Kam freiwillig, hielt schön still und richtete seine leuchtend orangen Augen auch noch fest auf ihr Gesicht. Er bettelte ja nahezu danach.
Ein Atemzug ein - und die Welt drehte sich weg. Für einen kurzen Augenblick sah sie nichts, hörte nichts, konnte nicht atmen, nichts riechen- dann spürte sie intensive Hitze in ihrem Gesicht, auf ihrem Fell. Automatisch zuckte das weibliche Experiment zurück, riss ihre Augen wieder auf und erblickte ihre neusten Bekannten, der nur wenige Pfotenschritte vor ihr stand und schrie. Sein Schrei hallte in ihren Ohren wieder, erzählte von seinen Pein und Schmerz, der ihren Kopf klingen und schmerzen ließ. Die endlose Hitze breitete sich auf sie aus, dass sie befürchtete gleich selbst in Flammen zu stehen und doch vermochte sie es nicht, ihre Augen von ihm zu lösen. Dicke Funken flogen durch die Luft, während Feuer gleichzeitig den Kater verzerrten. Sie leckten an seinem Fell, seine Beine brannten bereits lichterloh. Schwerfällig löste sie ihren Blick von ihm und sah sich neugierig um, nach der Ursache, doch der Rest ihres Blickfledes blieb schwarz. Sie konnte nur das Feuer und den Kater in ihm sehen, die kaum auszuhaltende Wärme auf ihrem Gesicht und das Geschrei. Doch das schlimmste war der Geruch. Dann kippte die Welt weiter, die Flammen wurden von der Dunkelheit verschluckt und Púki - atmete wieder aus.
Mit langsamen, methodischen Bewegungen fuhr die Katze fort, mit der Zunge über ihre linke Pfote zu reinigen. Die gleichmäßigen Bewegungen hatten sie eine Ruhezustand versetzt, denn das Experiment selten verspürte, waren ihre Gedanken doch sonst deutlich präsenter und- fordernder. Sachte zuckte ihr Ohr, Púki erstarrte, hielt inne mit jeglicher Bewegung und drehte ihre Ohren mit einer kleinen, kaum wahrnehmbaren Bewegung in Richtung des Geräusches. Hatte er sich bewegt? Einen weiteren Atemzug lang bewegte sich die Katze nicht, dann neigte sie ganz sachte den Kopf in seine Richtung und holte dabei einen oberflächlichen Atemzug. Ihre Augen fanden den Körper und fixierten ihn, dass die Intensität ihrer Ausstrahlung fast Löcher in ihn bohren könnten. Nur fast, versteht sich. Dessen war sie dann doch nicht mächtig. Ein Ruck ging durch ihren Körper, ein Schaudern wanderte durch ihr Fell, gleichzeitig setzte Púki ihre Tatze wieder auf den Boden und erhob sich. Leise klackerten ihre Krallen auf dem Boden, eine Pfote nach der anderen trafen auf die kalten Fließen, noch kälter als sonst wie es ihr schien. Die Temperatur war ein so starker Kontrast gegen ihren warmen Körper, dass sie nahezu sofort anfing zu frieren. Platsch. Ihre Pfoten trafen auf die noch wärmere Flüssigkeit, trennten sie von dem erbarmungslosen Boden, beschmutzen jedoch auch ihre gerade gereinigten Ballen. Sie hielt inne, nahm sich noch einen Moment den Körper zu betrachten, dann beugte sie sich vor und schnupperte sacht an dem Experiment. Tod. Nichts anders ging mehr von dem Kater aus, sein Körper schien bereits kalt und steif zu werden und der Blutfluss war versiegt. Die Kacheln um ihn herum waren übersäht mit Blutstropfen, die ein gar abwegig schönes Muster zeichneten. Sie musste sich wohl verhört haben. Nachdenklich drehte Púki sich also wieder um, machte die wenigen Schritte weg von der Leiche, wo sie wieder wie zuvor hinsetzen und von neuem mit dem Putzen begann.